Auktion 278 : Kunst des 19. und 21. Jahrhunderts Teil 1 16.06.2023

LYONEL FEININGER 1871 New York 1956 37 Jesuiten – Frau mit Jesuitenpriestern (400000.–) Tusche und Aquarell. 27×21 cm 1908 Unten links vom Künstler in Tusche signiert und datiert «Feininger 1908», in der äussersten linken Ecke monogrammiert «L.F.» Werkverzeichnis: Das Blatt ist dem Feininger Archiv/Achim Moeller, New York, bekannt Provenienz: Nachlass des Künstlers, durch Erbschaft an Privatsammlung USA Literatur: Vgl. Hans Hess, Lyonel Feininger, Œuvre-Katalog, Stuttgart 1959, Nrn. 33, 114 und 135 Auf cremefarbenem Bütten, geringfügig gebräunt, im Blattrand vereinzelte Fleckchen, in den vier Ecken Reissnagellöcher, links im oberen Papierrand ein kleiner, hinterlegter Einriss. Die Farben frisch und voller Leuchtkraft Die Werkgruppe der «Jesuiten» gehört zu Feiningers wichtigsten Arbeiten überhaupt. Es entstanden drei in Öl gemalte Versionen des Themas: 1908, 1913 und 1915 – sowie das hier angebotene Aquarell von 1908. Bei allen Gemälden wird eine Strassenszene gezeigt mit einer sich keck umblickenden (wohl) leichten Dame, die von geistlichen Würdenträgern umschwirrt wird; die Herren geben sich dabei Mühe, eine aufgesetzte Geschäftigkeit an den Tag zu legen. Feininger besuchte das Jesuiten-Collège Saint- Servais im belgischen Lüttich, was auch sein Interesse am Thema erklären dürfte Die Jahre 1907–1911 bezeichnet Hans Hess als die «figürliche Periode» des Künstlers, in welcher vor allem die menschliche Figur die Kompositionen bestimmt. Wie nur wenige andere Künstler seiner Generation verstand es Feininger mit seiner Erfahrung als Grafiker und Karikaturist, Alltagsgeschichten ironisch, sarkastisch und mit Humor in seine Arbeiten einfliessen zu lassen. Vordergründig Belangloses wird hintergründig zu einer reflektierten Auseinandersetzung und zu schonungsloser Gesellschaftskritik, so auch hier in der karikierten Darstellung der Protagonisten Während «Jesuiten I» und «Jesuiten II» die Szene vor einer Klostermauer zeigen, ist im Hauptgemälde «Jesuiten III» von 1915 im Hintergrund einWäldchen zu sehen. Die letzte Variante ist das teuerste je verkaufteWerk Feiningers und lehnt sich in der Komposition exakt an die hier angebotene, frühe Papierarbeit. Feininger hat sich 1915 also direkt an der Vorarbeit von 1908 orientiert, das Aquarell war in seinem Eigentum – und blieb es bis zu seinemTod. Die Haltung und die Dynamik der Personen sind verblüffend identisch, einzig in der Behandlung der Kleider und der Landschaft spürt man das in den sieben Jahren gewachsene Interesse am Kubismus bzw. Feiningers eigener Interpretation desselben. Es ist wohl nicht übertrieben, das hier angebotene Aquarell als eine der wichtigsten Arbeiten des Künstlers auf Papier überhaupt zu bezeichnen. Nicht nur ist die Szene bis ins kleinste Detail ausgearbeitet, sondern sie ist eben auch Vorlage für eines der grossartigsten Gemälde des Meisters überhaupt. Das Aquarell wird zum «Missing Link» in der Beschäftigung des Jesuitenthemas und zeigt die unglaubliche Fähigkeit des Meisters, Geschehnisse präzise und in vereinfachter Form künstlerisch umzusetzen Das Blatt blieb bis in die heutigen Tage im Besitz der Familie des Künstlers und wird nun erstmals im Kunstmarkt angeboten. Solch kapitale Werke auf Papier sind eine grosse Seltenheit *

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