Auktion 280 : Meisterwerke aus der Sammlung Eberhard W. Kornfeld 13.09.2024

1914 – Werknummer 1914.204. Aquarell und Bleistift auf Kupfer- druckpapier, auf Karton aufgelegt. 22× 17,7 cm, Aquarell mit Tuschleiste und Schrift; 32,2×24,7 cm, Unterlagekarton. Unten rechts imBild vomKünstler in Tusche signiert «Klee», auf der Unter- lage mit Abschlussstrich in Tusche, unten links oberhalb der Tuschleiste in Bleistift datiert «1914», darunter in Tusche mit der Werknummer «1914 204», rechts mit einer Dedikation in Bleistift «Herrn u. Frau Dr Jäggi zur Erinnerung /an Tunis 1914 freundschaft- lich/zugeeignet Klee 1919». Leichter Lichtrand undminimgebräunt. Auf der Rückseite Spuren einer alten Montierung. Schätzung CHF 1000000 Werkverzeichnis Paul Klee Stiftung, Catalogue Raisonné, Band 2, Werke 1913–1918, Bern 2000, Nr. 1307 Provenienz Geschenk des Künstlers, 1919 an Slg. Dr. Ernst und Rosa Jäggi-Müller, Tunis Auktion Kornfeld und Klipstein, Bern, 18. Juni 1965, Los 474 (betitelt «Platz El Halfaouine in Tunis»), dort erworben von Slg. EberhardW. Kornfeld, Bern, rückseitigmit demSammlerstem- pel, Lugt 913b Literatur Uta Laxner, Stilanalytische Untersuchungen zu den Aquarellen der Tunisreise 1914, Macke, Klee, Moilliet, Bonn 1967, S. 133–135, 170 Yusuke Nakahara, Paul Klee, Tokyo 1971 , Nr. 7 Regula Suter-Raeber, Paul Klee, Der Durchbruch zur Farbe und zum abstrakten Bild, München 1979/1980, S. 133, 139 Uta Gerlach-Laxner, Paul Klee und der Orient, Die Auswirkung auf seinWerk unter besonderer Berücksichtigung seiner Tunesienreise 1914, Ausstellungskatalog, Münster/Bonn 1982/1983, S. 61 Margareta Benz-Zauner, Werkanalytische Untersuchungen zu den Tunesien-Aquarellen Paul Klees, Frankfurt amMain/Bern/NewYork 1984, S. 8, 11, 21–24, 85, 184, 188, 192, Abb. 4, 6 Brigitte Uhde-Stahl, Die Tunisreise und ihre Folgen, 1914/1915, Tübingen o.J. [1995/96], S. 8, Anm. 21 Stefan Frey, Dokumentation über Klees Reisen ans Mittelmeer, in: Reisen in den Süden, Leipzig 1997, S. 246 Osamu Okuda, Paul Klee: Buchhaltung, Werkbezeichnung und Werkprozess, in: Radical Art History: Internationale Anthologie, subject: O.K. Werckmeister, Zürich 1997, S. 378, Anm. 13 Kunstverlag Weingarten, Weingarten 2000, Kalender für das Jahr 2001, Die Tunisreise, Abb. für Monat Dezember Eva Leistenschneider, «Die Leibhaftigkeit des Märchens», Zur orientalischen Stadt in Paul Klees tunesischenWerken, in: Paul Klee, Tempel – Städte – Paläste, Saarbrücken, Saarlandmuseum, Aus- stellungskatalog, Ostfildern 2006, Abb. 6, S. 67f. Sarah Ann McGavran, Modernist Orientalisms: Klee, Matisse, and North Africa, c. 1906–1930, St. Louis 2013, S. 104f., Abb. Nr. 26 Michael Baumgartner, Paul Klees Reise nach Tunesien – ein kunst- historischer Mythos, in: Die Tunisreise 1914, Paul Klee, August Macke, LouisMoilliet, Ausstellungskatalog, ZentrumPaul Klee, Bern 2014, S. 114 Roger Benjamin, Christina Ashjian, Kandinsky and Klee in Tunisia, Oakland 2015, S. 110–112 Ausstellungen Baden-Baden 1964, Staatliche Kunsthalle, Der frühe Klee, Zeich- nungen, Aquarelle, Druckgraphik, Ölbilder, Hinterglasbilder, Kat. Nr. 209 Basel 1967, Kunsthalle, Paul Klee 1879–1940, Gesamtausstellung, Kat. Nr. 23 Paris 1969/1970, Musée national d’art moderne, Paul Klee, Kat. Nr. 18 Münster/Bonn 1982/1983, Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte/Städtisches Kunstmuseum, Die Tunisreise, Klee, Macke, Moilliet, Kat. Nr. 19 Bern 1989, Kunstmuseum Bern, Von Goya bis Tinguely, Aquarelle und Zeichnungen aus einer Privatsammlung, Kat. Nr. 74, Abb. S. 139 Düsseldorf/Stuttgart 1995, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen/ Staatsgalerie, Paul Klee, Im Zeichen der Teilung, Kat. Nr. 45, S. 113 Davos 1998/1999, Kirchner Museum, Werke aus der Sammlung Eberhard W. Kornfeld, Kat. Nr. 33 Wien 2008/2009, Albertina, Wege der Moderne, Aus der Sammlung Eberhard W. Kornfeld, Kat. Nr. 128, S. 288, Abb., S. 203 Bern 2009, Zentrum Paul Klee, Paul Klee, Teppich der Erinnerung, Kat. Nr. 166, S. 239, Abb. S. 199 Bern 2014, Zentrum Paul Klee, Die Tunisreise, Paul Klee, August Macke, Louis Moilliet, Kat. Nr. 40, S. 321, Abb. S. 138 Zürich 2023, Kunsthaus, Re-Orientations, Europa und die islami- schen Künste, 1851 bis heute, Kat. Nr. 147, S. 254 Paul Klees Künstlerfreund Louis Moilliet hatte bereits 1907 und 1909/1910 Tunesien bereist. Er weilte dort als Gast beim Berner Ehepaar Dr. Ernst Jäggi und Rosa Jäggi-Müller. Die beiden unter- hielten eine Stadtwohnung in Tunis und ein Landhaus in Saint- Germain (heute Ezzahra). Im Früjahr 1914 unternahmen die drei Künstlerfreunde Paul Klee, Louis Moilliet und August Macke die in die Kunstgeschichte eingegangene legendäre Tunisreise. Nach- demder Entschluss zur gemeinsamen Reise nach Tunesien gefasst worden war, kümmerten sich die drei beteiligten Künstler um die Finanzierung. Klee verkaufte Werke an den Berner Apotheker Charles Bornand, Macke wurde vom Sammler Bernhard Koehler unterstützt, Moilliet bat verschiedene Bekannte um einen Obolus. Das mit Moilliet bekannte Ehepaar Jäggi aus Tunis bot den Künst- lern an, bei ihnen zu wohnen. Als Gegenleistung sollte ein Zimmer künstlerisch gestaltet werden. Nach Ankunft in Tunis am 7. April 1914 wurden die Künstler von der Familie Jäggi abgeholt. Moilliet und Klee konnten zunächst in ihrer Stadtwohnungwohnen, Macke verfügte über genügendMittel, um imGrand Hôtel de France abzu- steigen. Auf der Reise entstanden nur wenige Werke; die Reise sollte aber das weitere künstlerische Schaffen der drei, besonders von Paul Klee, nachhaltig beeinflussen. Es war die unvergleichliche Fülle der Farben, das exotisch-orientalische Leben sowie die Inten- sität des mediterranen Lichts, was sich in vielen nachfolgenden Werken manifestieren würde. Erst mit Klees Ägyptenreise im Jahr 1929 erfuhren seine Werke erneut einen vergleichbaren Einfluss von aussen. Es waren aber nicht nur die Farben der nordafrikani- schen Landschaft, die Klee zu neuenWerken inspirierten. So stehen etwa die für Klee später so charakteristischen rechteckigen Farb- flächen in direktem Zusammenhang mit der arabischen Stadtar- chitektur; Klee hat in Tunesien den Raum neu begriffen. Mit einher ging auch eine Auflösung der Formen in Richtung einer bisher nicht gleich umgesetzten Abstraktion. Die in Zusammenhang mit der Tunisreise entstandenen Arbeiten sind alle von beeindruckender Klarheit und Leuchtkraft und besonderer Qualität im Schaffen Klees. Das hier angebotene Blatt war zuerst grösser angedacht. Paul Klee zerschnitt es später, wie er es immer wieder tat, und schuf aus dem rechten Teil dasWerkmit der Nummer 1914.205, «Ohne Titel» (Cata- logue Raisonné 1308), ein Blatt, das sich heute in einer amerikani- schen Privatsammlung befindet. Dargestellt ist eine Szene vor einer Moschee amPlatz El Halfaouine in Tunis. Das Aquarell ist sicherlich auf der Reise vor Ort entstanden und wurde später von Klee neu montiert. ImSommer 1919 schenkte er das Blatt demEhepaar Jäggi, wohl immer noch aus Dank für die herzliche Aufnahme in ihrem Haus in Tunesien. Ein besonders eindrückliches Zeugnis seines Schaffens unter Einfluss der Tunisreise. * 24 Paul Klee Münchenbuchsee bei Bern 1879–1940 Muralto Vor einer Moschee in Tunis

RkJQdWJsaXNoZXIy NTQ4OTU=