Im Laufe seines fast 100-jährigen Lebens hat Eberhard W. Kornfeld (1923–2023) eine der grössten Schweizer Privatsammlungen der Nachkriegszeit zusammengetragen. Schwerpunkte waren Arbeiten auf Papier aus sechs Jahrhunderten sowie Werke befreundeter Kunstschaffender. Die Sammelleidenschaft erfasste ihn schon als Kind. Ebi, wie er von Freunden genannt wurde, sammelte zuerst Münzen und kleine, archäologische Artefakte.
Nach einer kaufmännischen Grundausbildung begann er im Februar 1945 mit einem Volontariat beim renommierten Graphikhändler Dr. August Klipstein in Bern. In den freien Sommermonaten besuchte er jeweils Kupferstichkabinette, etwa in Basel, Paris, London oder Amsterdam und bildete sich dabei autodidaktisch weiter. Er war ein äusserst gelehriger Mitarbeiter und Schüler, so dass ihm Klipstein immer mehr Projekte übertrug und ihn schliesslich fest anstellte. Nun war es vor allem die Kunst, die ihn zum Sammeln anregte.
Nach dem überraschenden Tod ihres Mentors und Chefs im April 1951 übernahmen Frieda Schuh und Ebi zusammen mit der Familie Klipstein die Firma. Nach ein paar Jahren wurde Ebi alleiniger Geschäftsführer, erwarb in der Folge sukzessive die Mehrheit und führte die Firma schliesslich ab 1972 unter seinem eigenen Namen.
Das Auktionshaus Kornfeld wurde während Ebis Zeit zu einem wichtigen und geschätzten «Player» im internationalen Kunsthandel, weit über die Graphik und die Schweizer Grenzen hinaus. Bis zu seinem 99. Geburtstag kam er fast an jedem Tag in sein Büro in der Villa Thurmau an der Laupenstrasse in Bern.
Es gab wohl nur wenige Kunsthändler, die annähernd so viele Werke in den Händen hielten, wie Ebi in seinem langen Händler- und Sammlerleben. Rechnet man seine publizierten Auktions-, Lager- und Ausstellungskataloge sowie alle nicht in die Auktion aufgenommenen Werke zusammen, so waren es mehrere 100 000 Stück, die er aus nächster Nähe auf ihre «Importanz» hin begutachtete. Und da er über ein einzigartiges Bild- und Materialgedächtnis verfügte, wurden alle Nuancen und Abweichungen sofort memorisiert. Sein eindrückliches und fundiertes Wissen machte ihn schnell zu einem weit herum respektierten «Scholar-Dealer», einem Händler also, der als wandelndes Kunstlexikon und mit einem immensen Wissens- und Erfahrungsschatz mit höchster Kennerschaft seinem Metier nachging.
Sein Wissen, verbunden mit seiner Sammlerleidenschaft, führte schliesslich zu einer wichtigen, breit angelegten Sammlung mit Werken aus dem Mittelalter bis in die Gegenwart. Stets verband er seine Arbeit als Kunsthändler mit dem eigenen Sammeln. Am Anfang waren es vor allem Handzeichnungen und Graphiken alter Meister, rasch gefolgt von Arbeiten auf Papier aus dem 19. Jahrhundert und der Moderne. Als in den 1950er und 1960er Jahren das Interesse für Werke der vergessenen Österreicher Gustav Klimt und Egon Schiele oder des Norwegers Edvard Munch neu entfachte, war Ebi vorne mit dabei und erwarb für seine eigene Sammlung hervorragende Stücke. Ausser von seinem Spezialgebiet Ernst Ludwig Kirchner (vgl. Auktionskatalog 279, Ernst Ludwig Kirchner aus der Sammlung Eberhard W. Kornfeld) erwarb er nur wenige Ölgemälde des Impressionismus oder der Moderne.
Er war aber nicht nur Auktionator, sondern pflegte als Galerist und Händler auch enge freundschaftliche und wirtschaftliche Kontakte zu Kunstschaffenden seiner Zeit: Alexander Calder, Marc Chagall, Sam Francis, Alberto und Diego Giacometti oder Pablo Picasso seien stellvertretend für viele andere genannt. Von ihnen erwarb er im Laufe der Jahre jeweils grössere Konvolute, einige Werke wurden ihm von den Künstlern auch geschenkt.
Sein grosses Wissen teilte er auch mit anderen, was dazu führte, dass er epochale Werkverzeichnisse verfasste und verlegte und dabei neue Standards setzte. Und so ordnen und beschreiben heute weltweit Expertinnen, Händler und Sammelnde Zustände von Druckgraphik wie etwa von Paul Gauguin, Alberto Giacometti oder Paul Klee mit sogenannten «Kornfeld-Nummern». Das Verlegen und Bearbeiten von Werkverzeichnissen erschloss auch neue Sammelgebiete: Er kaufte Graphiken und Raritäten von Chagall, Gauguin, Giacometti, Kirchner, Kollwitz, Picasso oder Signac.
Kornfeld sammelte in zwei Richtungen: Er sammelte einerseits auf Vollständigkeit, was sich etwa bei der Druckgraphik schön ablesen lässt. Und er sammelte auf «Importanz», also ausgewählte Arbeiten, die er aus kunsthistorischer Sicht als wichtig erachtete und sein Eigen nennen wollte.
Im hier vorliegenden Sonderkatalog sind 50 einzigartige Meisterwerke der Sammlung vereint. Es finden sich Gemälde neben Skulpturen, Zeichnungen neben Druckgraphik. Die Werke sind so frei zusammengestellt, wie Ebi Kornfeld mit seiner Kunst lebte. Wer einmal bei ihm zu Besuch war, war überwältigt von der schieren Menge an Kunst aus vielen Jahrhunderten und der Qualität, die einem von den Wänden oder gestapelt am Boden zu Gesicht kam. Er kaufte mit dem untrüglichen Auge für das Besondere, die Einzigartigkeit, verbunden eben mit seiner legendären Kennerschaft.
Und er wünschte sich, dass weite Teile seiner Sammlung nach seinem Tod in neue Hände übergehen werden. Wenige ausgewählte museale Stücke verschenkte er an Museen, die anderen sollten nicht in einem Museumsdepot verschwinden, sondern auch in Zukunft die Herzen von Sammlerinnen und Sammlern erfreuen. Die von Ebi in über 70 Jahren zusammengetragene Kollektion eklektischer Kunstwerke wünschte er sich bei Menschen, die die Kunst ebenso sehr lieben und schätzen, wie er es in seinem langen, reichen Leben selber getan hatte. Somit besteht jetzt die einmalige Möglichkeit, Werke, die von einer Legende akribisch zusammengetragen wurden, zu erwerben und damit ein Teil Kunstgeschichte zu werden.
Dieser Katalog ist dem Namensgeber unserer Firma gewidmet, dem wir unendlich viel verdanken: Er war unser Lehrer und Mentor, er war unser Patron und geschätzter Freund und prägte unser Geschäft mit seiner einzigartigen Persönlichkeit bis ins hohe Alter. Der Familie Kornfeld danken wir für das grosse Vertrauen in unser Haus, das wir im Sinne Ebis in die Zukunft führen werden.
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