Königsberg 1867 - 1945 Moritzburg
1903
Farbige Kreide- und Pinsellithographie, mit Schabnadel im Zeichenstein, vom dunkelbraun druckenden Zeichenstein und dem Tonstein für den Hintergrund in Blauschwarz
45,7x62 cm, Darstellung; 47,6x62,6 cm, Blattgrösse
Unten rechts von der Künstlerin in Bleistift signiert "Kollwitz". In der unteren rechten Ecke von Sievers bezeichnet "Ill Zust.", unten in der Mitte mit Emil Richters Inventarnummer "F 6321."
Knesebeck 77/III
Kunstsalon Emil Richter, Dresden (ab 1912)
Kunsthandelaar Johannes Henricus de Bois, Haarlem, dort verkauft an
Privatsammlung Frankreich
Auktion Villa Grisebach, Berlin, 26. Mai 2006, Los 23, dort angekauft für
Privatsammlung USA
Anna L. Plehn, Die neuen Radierungen von Käthe Kollwitz, in: Die Frau. Monatszeitschrift für das gesamte Frauenleben unserer Zeit, 11, 1903/04, Heft 4, Januar 1904, pag. 235
Amsterdam 1916, Stedelijk Museum, Catalogus der grafische tentoonstelling van Käthe Kollwitz,
Auf festem, grau-grünlichem Velin, unten links mit Blindstempel "Bristol LM teinte Julien". Sehr schöner Druck, farbfrisch. An den Rändern mit Spuren einer alten Montierung. In sehr guter Gesamterhaltung
Die "Pietà" gehört zu den seltensten graphischen Blättern der Künstlerin und darf zu den Höhepunkten des lithographischen Schaffens um 1900 überhaupt gezählt werden. Die Datierung von Sievers und Klipstein in das Jahr 1903 wird auch durch den Artikel von Anna L. Plehn belegt, in dem die Lithographie als "zweite", verworfene Fassung des sechsten Blattes des Bauernkrieges eingeordnet wird
"Pietà" (Mitleid) wird die ab dem frühen 14. Jahrhundert gebräuchliche Darstellung Marias als Mater Dolorosa (Schmerzensmutter) mit dem Leichnam des Sohnes Jesus Christus auf ihrem Schoss in der christlichen Ikonographie genannt. Es erstaunt nicht, dass Käthe Kollwitz, die in mehreren Werken den tragischen Kindstod thematisiert, dieses starke Symbol der trauernden, über den toten Leib gebeugten Mutter künstlerisch umsetzen will. Thematisch hätte das Blatt gut in den Zyklus Bauernkrieg gepasst; Kollwitz hat dann anstelle der Pietà aber "Schlachtfeld" für die Edition ausgewählt. Somit sind nur wenige Probedrucke des Blattes entstanden. Im selben Jahr entstehen die Tiefdrucke "Mutter und toter Sohn" (Knesebeck 78) und "Frau mit totem Kind" (Knesebeck 81) zum selben Thema. Sie haben aber nicht die dichte Tragik und die tiefe Trauer, wie sie in dieser Lithographie angelegt sind. Kollwitz ist in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts auf dem Höhepunkt der Könnerschaft mit der mehrfarbigen Lithographie angelangt, was sich eindrücklich an der Pietà ablesen lässt
Das angebotene Blatt lässt sich weit zurückverfolgen und wurde mit grosser Sicherheit 1912 vom Kunstsalon Emil Richter direkt bei Kollwitz erworben, später 1916 im Stedelijk Museum in Amsterdam im Rahmen einer Ausstellung verkäuflicher Kollwitz-Graphiken öffentlich gezeigt. Es war mit einem Verkaufspreis von 450 niederländischen Gulden das mit Abstand teuerste Blatt der ganzen Ausstellung. Es wurde von Johannes Henricus de Bois, der vom Kunstsalon Emil Richter das alleinige Verkaufsrecht für Kollwitz-Graphik in Holland erhielt, später in eine französische Privatsammlung verkauft. Von den drei Zuständen des Blattes sind insgesamt bloss fünf Abzüge bekannt, vier davon befinden sich in öffentlichen Museen
Das hier angebotene Blatt ist daher das einzige sich noch in Privatbesitz befindliche Exemplar. Die wunderbare Farbfrische und Erhaltung machen das Blatt zu einer Ikone von Kollwitz’ Druckgraphik