Aschaffenburg 1880 - 1938 Davos
1919
Farbiger Holzschnitt von vier Stöcken in Rot (Zeichnungsblock), Blau, Grün und Gelb
58,8x39 cm, Druckstock; 61x44,5 cm, Blattgrösse
Unten rechts vom Künstler in Bleistift signiert "E L Kirchner" und unten links bezeichnet "Eigendruck"
Gercken 1052/I/2 (v. II), dort erwähntes Exemplar
Direkt vom Künstler an Helene Spengler-Holsboer, Davos, durch Erbschaft an
Charlotte Grisebach-Spengler, Jena/Zürich (1943-1975), durch Erbschaften an
Privatsammlung Schweiz (seit 2006)
Berlin/München/Köln/Zürich 1979-1980, Nationalgalerie/Haus der Kunst/Museum Ludwig/Kunsthaus, Ernst Ludwig Kirchner 1880-1938,
Auf Bütten, vollkommen farbfrisch, in den Farben stark durchgeschlagen. In den oberen Ecken mit Spuren einer alten Montierung. In sehr guter und farbfrischer Erhaltung
"Alphaus mit untergehender Sonne" gehört zu den bedeutendsten Farbholzschnitten, die während seines Aufenthaltes im Sommer 1919 auf der Stafelalp oberhalb von Davos Frauenkirch entstanden sind. Bei der Arbeit handelt es sich um einen von zwei farbigen Drucken von vier Stöcken des ersten Zustands, einen sehr farbintensiven, grossen und sehr seltenen Holzschnitt Kirchners. Dargestellt ist eine Feierabendszene mit Bauern vor einer Hütte auf der Stafelalp, im Hintergrund mit der hinter dem Tinzenhorn untergehenden Sonne. Dasselbe Sujet findet sich zum Beispiel auf Kirchners Gemälde "Berghaus" von 1919 (Gordon 602). Das Tinzenhorn kann als Wahrzeichen von Davos gesehen werden, obwohl es geographisch in eine andere Talschaft gehört. Kirchner stellte es auf vielen seiner Werke dar und es sieht oft dem Matterhorn sehr ähnlich, obwohl die beiden in natura nicht zu vergleichen sind. Für Kirchner war es ein wichtiges Motiv, was aus dem Tagebucheintrag vom 10. August 1919 hervorgeht: "Ich träume ein Tinzenbild im Abendrot, nur Berge blau gegen blau, ganz einfach [...]." Die Farbholzschnitte sind der Höhepunkt in seinem graphischen Œuvre. In einem ursprünglich von Rudolf Zender verfassten Aufsatz, den Kirchner stark korrigierte und veränderte, heisst es in Kirchners Worten: "Viele Dinge, die er [Kirchner] so vor der Natur sich gemerkt oder aufgezeichnet hat, nimmt er zu Hause wieder vor. Nicht dieselben Blätter. Er macht das Angefangene nicht fertig. Er gestaltet denselben Vorwurf aus der Erinnerung neu, er treibt die Form weiter. Aus diesem ganzen reichen Material entstehen dann, gewissermassen als die Essenz, die graphischen Blätter und die Bilder, wobei die Grafiken häufig als eine Zwischenform zwischen Zeichnung und Bild anzusehen sind. Sie bergen die Bildform, sind aber in den Mitteln der Zeichnung näher. Die farbigen Grafiken allerdings sind Bilder im eigentlichen Sinn [...]." (aus "Aufsatz Zender" in: Lothar Grisebach, Ernst Ludwig Kirchners Davoser Tagebuch, Neuausgabe durchgesehen von Lucius Grisebach, Ostfildern 1997, pag. 169)