Witebsk 1890 - 1967 Paris
Ausrufzeit 13.09.2024,
circa 17.50 Uhr (CET)
(+/- 30 Min.)
1919
Holz, schwarz-rot grundiert und goldfarbig gefasst
Ca. 115x58x35 cm
Unten auf dem rechten Bein eingeschnitzt "Zadkine"
Sylvain Lecombre, Ossip Zadkine, L'Œuvre sculpté, Paris 1994,
Galerie Heseler, München
Slg. Schwarzhaupt, Rheinland
Privatsammlung Deutschland
Privatsammlung Schweiz
Paul Haesaerts, Ossip Zadkine, La Sculpture ailée, Amsterdam 1939, Tf. VI
Ionel Jianou, Zadkine, Paris 1964,
Paris 1920, Atelier Zadkine, 35 rue Rousselet, Sculptures de Zadkine,
Brüssel 1933, Palais des Beaux Arts, Zadkine,
Vereinzelte alte Schwundrisse im Holz, minime Abreibungen. In sehr guter Erhaltung
Nach der Rückkehr von seinem Kriegseinsatz nimmt Ossip Zadkine 1917 in Paris seine Freundschaft mit Modigliani wieder auf. Zusammen beschliessen sie, sich ein Atelier zu teilen. Die unmittelbare Erfahrung des Ersten Weltkriegs führte bei vielen Künstlern zu einer Abkehr von der kalten als entmenschlichend empfundenen Strenge des Kubismus hin zu einem klassischen Ideal. So kehrte auch Zadkine, inspiriert von archaischen und nicht-westlichen Quellen, zu einer authentischeren und unmittelbareren Form der Bildhauerei zurück. Mit dem Tod des dominierenden Plastikers Auguste Rodin im Jahr 1917 und der sich darauf entfachenden Frage, wie unmittelbar ein Künstler auf ein Kunstwerk einwirken soll und muss, veränderte sich auch die Bildhauerei. So wurde nun die direkte Schnitzarbeit eines Künstlers aus einem einzigen Stein- oder Holzblock zum Inbegriff technischer Ehrlichkeit und etablierte sich als modernistischer Gegenentwurf zu den kooperativen Systemen der Akademie.
In der vorliegenden Skulptur, die direkt aus einem Holzstück geschnitzt wurde, scheint sich Zadkine förmlich von der Strenge des akademisch-kubistischen Stils zu befreien, der nach Ansicht des Künstlers nicht genug Raum für menschliche Emotionen liess.
Durch die direkte Bearbeitung des Holzes verleiht Zadkine seinen Skulpturen eine eigentümliche Reinheit und Klarheit. Er arbeitete bewusst mit den Maserungen des Holzes und schälte die Figur förmlich aus dem natürlich gewachsenen Holz heraus. Er selber sagte, dass die Figur schon im Holz enthalten sei.
Es entstanden auch mehrere farbig gefasste Figuren. Cathy Corbett schrieb in ihrer im Jahr 2022 publizierten Dissertation zu Zadkines Holzwerken, dass bei einigen die Farbe auch eingesetzt wurde, um bestimmte Partien, in Anlehnung an religiöse und säkulare Holzfiguren aus Russland, besonders hervorzuheben. Bei anderen bemalte er die Skulpturen einfarbig über einer Grundierung, bei mindestens dreien, darunter der vorliegenden, sogar in Goldfarbe. Corbett vermutet, dass der Künstler mit dieser Bemalung teures Ebenholz imitieren wollte, das er später in seiner Karriere für seine Arbeiten bevorzugte.
Die hier angebotene Figur trägt den Titel "Maternité" (Mutterschaft), ein Thema, das mehrfach im Œuvre Zadkines vorkommt. 1919 lernt Zadkine seine spätere Ehefrau, die Künstlerin Valentine Henriette Prax (1897-1981) kennen. Vielleicht hat er das familiäre Thema deshalb im selben Jahr so prominent aufgenommen. Aus Fotografien aus der Zeit vermeint man gar eine Ähnlichkeit in der Anlage des Gesichts von Prax zu erkennen.
Dargestellt ist eine Frau mit Kind. Die linke Hand der Mutter ruht auf dem Bauch und stützt das Kind, der rechte Arm ist über die linke Schulter gelegt. Die Haltung erinnert an eine religiöse Statue. Geschickt schuf der Künstler durch die kompositorische Asymmetrie und den gegensätzlichen skulpturalen Effekten eine ausgewogene und zutiefst lyrische Skulptur mit zwei Figuren. Der Gesamteindruck ist von tiefer Gelassenheit und, wie es der Kunstkritiker Maurice Raynal 1921 für Zadkines Werke ausdrückte, von "plastischer Zärtlichkeit" geprägt. Wichtige, geschnitzte Holzskulpturen von Zadkine, einem der grossen Wegbereiter der Plastik im 20. Jahrhundert, finden sich vor allem in Museen wie der Tate London, dem Hirshhorn Museum and Sculpture Garden in Washington oder dem Stedelijk Museum in Amsterdam, nur noch wenige befinden sich in Privatbesitz.
Legende Foto: Aufnahme aus der Ausstellung 1933 im Palais des Beaux Arts in Bruxelles, unbekannte Autorenschaft
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